Am 19. Februar 2016 - 17:23 Uhr von Tom Hirche

Leistungsschutzrecht vor Landgericht Berlin

Publikationsdatum 19.02.2016 ~ Art des Materials: Akteure: Schlagworte: Soziales System: Lizenz: 

Heute war es so weit. Vertreter Googles und verschiedener deutscher Verlage standen sich zum ersten Mal vor Gericht gegenüber, um dort ihren Streit über das Leistungsschutzrecht für Presseverleger weiter auszutragen. Dass den klagenden Verlegern die nächste Schlappe bevorstehe, stellte der vorsitzende Richter der Kartellkammer am Landgericht Berlin sehr früh klar: Nach interner Beratung tendiere man dazu, die Klage abzuweisen.

Zu diesem Ergebnis wäre man gelangt, weil im Falle von Suchmaschinen in jeder Beziehung stets eine Win-Win-Situation vorliege. Neben den Nutzern und denjenigen, die Internetseiten betreiben, würden ebenso die Werbenden und die Suchmaschinenanbieter selbst voneinander profitieren. Es sei ein ausgewogenes System, das erst durch das Presseleistungsschutzrecht aus dem Gleichgewicht gebracht werde.

Außerdem stellten die Richter klar, dass man sich in diesem Verfahren nur zur kartellrechtlichen Problematik äußern werde; worum es nicht gehe, sei hingegen die Frage, wie lang ein Snippet sein müsse, damit ein Vergütungsanspruch geltend gemacht werden könne. Deshalb beschränkten sich die folgenden Ausführungen der Kammer darauf, ob Google eine Marktmacht innehabe und ob diese missbraucht worden sei. Da 95% der Nutzer Google als ihre Suchmaschine wählten, könne man von einer marktbeherrschenden Stellung sprechen. Allerdings finde kein Missbrauch statt, da Google alle Verlage gleichbehandele: Kein Verlag soll Geld aufgrund des Leistungsschutzrechts für Presseverleger erhalten.

Das sahen die Anwälte der Verlage naturgemäß anders. Man sei auf den Traffic durch den Suchmaschinenriesen angewiesen. Der Quasi-Monopolist Google hätte den Verlagen die Pistole auf die Brust gesetzt und sie gezwungen, eine – wie sie es nennen – „Gratislizenz“ zu erteilen. Würde es einen größeren Wettbewerb unter den Suchmaschinenanbietern geben, hätte es dazu gar nicht kommen können, sodass ein Marktmissbrauch vorliege.

Die Google-Anwälte wiesen auf das seltsame Ergebnis hin, zu dem man gezwungen werden solle: Man solle entweder verurteilt werden, die Snippets der klagenden Verlage anzuzeigen und damit – zumindest nach deren Auffassung – zur Zahlung von Lizenzgebühren verpflichtet zu sein oder man solle gar keine Snippets mehr anzeigen, obwohl einige Verlage ausdrücklich erklärt hätten, auf Lizenzgebühren nach dem Leistungsschutzrecht zu verzichten. Letzteres würde dazu führen, dass wenige Verlage die Regeln für die ganze Branche diktierten. Das könne aber nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein. Er wollte den Verlagen nur eine weitere Gestaltungsmöglichkeit an die Hand geben, bei der sie sich selbst überlegen sollten, ob sie diese in Anspruch nehmen oder nicht. Denn das Leistungsschutzrecht für Presseverleger sei – unstreitig – ein Verbotsgesetz. Es muss also nicht geltend gemacht werden; man kann einfach darauf verzichten.

Zum Ende schlug der vorsitzende Richter vor, sich gütlich zu einigen und so einen Urteilsspruch zu vermeiden. Er könne sich vorstellen, dass man eine bestimmte Länge für Snippets festlege, die man vergütungsfrei anzeigen dürfe. Von Seiten der Parteien kam jedoch wenig Gegenliebe für diesen Vorschlag. Google wies darauf hin, dass die Verlage nie signalisiert hätten, sich mit einer festen Grenze zufriedenzugeben. Ferner sehe man es als höchst problematisch an, mit wenigen Verlagen darüber zu reden, wie der Markt für alle gestaltet werden solle.

Des Weiteren ist zu beachten, dass es das Ziel der Verlage ist, Geld von Google zu erhalten. Sollten sie sich also auf eine feste Grenze – wo auch immer diese liegen mag – einigen, so würde bei ihnen definitiv kein Cent ankommen. An einer gütlichen Einigung können sie also kein Interesse haben. Sie setzen vielmehr darauf, dass Google gezwungen wird, Snippets anzuzeigen, für die eine Vergütung nach dem Leistungsschutzrecht verlangt werden kann. Genau dazu kann das Kartellrecht jedoch niemanden zwingen, nicht einmal einen Marktbeherrscher, auch wenn die Verlegeranwälte oft versucht haben, diesen Eindruck zu erwecken.

Somit ist davon auszugehen, dass das Landgericht die Klage abweisen wird. Sicher ist, dass der Streit in die nächste Instanz gehen und eines Tages beim Bundesgerichtshof landen wird. Auf Rechtssicherheit wird man also noch lange warten müssen.

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