Am 10. August 2012 - 9:06 Uhr von Vera Linß

Christian Personn: Verlage benötigen kein eigenes Schutzrecht

Publikationsdatum 09.08.2012 ~ Art des Materials: Akteure: Schlagworte: Soziales System: Lizenz: 

Christian Personn, Chefredakteur des Mediendienstes „text intern”, im IGEL-Interview: Verlagsinhalte sind bereits über das Urheberrecht ausreichend geschützt. Ansprüche an Suchmaschinen oder Aggregatoren könnten die Verlage auch ohne Leistungsschutzrecht aushandeln, ein umfassenderes Gesetz wäre eine Gefahr für den demokratischen Diskurs im Netz.

Vera Linß: Inwiefern wäre ein Leistungsschutzrecht für „text intern” relevant? Schließlich ist es ein Bezahlangebot. Die Inhalte werden nicht frei ins Netz gestellt, sondern man kann sie abonnieren.

Christian Personn: Das Geschäftsmodell ist historisch gewachsen. Unser Printprodukt gibt es seit fünfundvierzig Jahren. Die Abonnenten sind überwiegend ‚Entscheider’ aus dem textorientierten Medienbereich – aus Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, Buchverlagen, aber auch vom Hörfunk und Fernsehen. Jede Woche wird ihnen eine Ausgabe von „text intern” per Post zugeschickt. Das wirkt natürlich in der heutigen Zeit etwas antiquiert, aber die Abozahlen geben uns noch immer Recht. 

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist für uns natürlich nur indirekt relevant. Unsere Auflage ist zu klein, als dass es für uns ökonomisch von Bedeutung sein könnte. Aber es hat insofern eine Relevanz für uns, weil wir uns sehr viel damit auseinandersetzen, was Verlage diskutieren. Und die großen Zeitschriften- und Tageszeitungsverlage beschäftigt das enorm.

Wie bewerten Sie die Idee eines Leistungsschutzrechtes für Presseverleger?

Ich lehne ein gesetzlich verankertes Leistungsschutzrecht ab, weil ich glaube, dass wir im Urheberrecht genügend Möglichkeiten haben, das Anliegen der großen Verlage – es sind ja überwiegend Großverlage, die das vorantreiben – durchzusetzen. Der Ausgangspunkt ist ja gewesen, dass man vor allem dagegen vorgehen will, dass News über Snippets und Links auf Seiten weitergeleitet werden, die das auch kommerziell nutzen. Und dass man dafür Geld haben möchte, speziell von Google News.

Das ist aus meiner Sicht sehr kurz gegriffen. Denn das Urheberrecht sieht ja vor, dass der eigentliche Urheber, zum Beispiel der Autor eines Textes, der Urheber bleibt und der Verlag nur der Verbreiter ist. Viele Verlage haben aber nun in Pauschalverträgen mit freiberuflichen Autoren geregelt, dass diese (fast) alle Rechte an die Verlage abtreten. Allein diese Verträge finde ich schon schwierig. Es ist zumindest kritikwürdig, wenn der Verlag, obwohl er ja nun schon einen ökonomischen Vorteil durch die mögliche Mehrfachverwertung hat, damit noch mal Geld verdienen will.

Sie sagten, dass die Verlage ihr Ansinnen auch auf anderem Wege durchsetzen könnten. Es ginge ihnen ja darum, noch mal Geld zu kassieren. Wie könnte das funktionieren? Und wie legitim finden Sie den Wunsch, noch mal Geld bekommen zu können?

Wir dürfen nicht übersehen, dass die Verlage ihre Inhalte im Web kostenlos einstellen. Das machen sie freiwillig, niemand hat sie dazu gezwungen. Inzwischen sehen sie das auch als Fehler an. Sie räumen ein, dass sie die Entwicklung von Paid-Modellen verschlafen haben. Und die Modelle, die es jetzt gibt, funktionieren ja auch noch nicht. Was sich bewährt, sind Bezahlmodelle für E-Paper-Angebote.

Dass man jetzt im Nachhinein dieses Versäumnis durch ein Leistungsschutzgesetz nur für Presseverlage wieder korrigieren möchte, das halte ich nicht für legitim. Die Verlage müssten sich einfach andere Modelle überlegen, mit denen sie vielleicht ihre Inhalte anders und damit gewinnbringend vermarkten können. Aber nicht über eine – ich nenne das mal überspitzt – gesetzlich geregelte Zwangsabgabe.

Welche Gefahren sehen Sie, die mit einem Leistungsschutzrecht – wie es erste Entwürfe vorhersehen – einhergehen könnten?

Eine Gefahr ist mit Sicherheit, dass der politische Diskurs über Blogs und ähnliches abgewürgt wird. Problematisch könnte sein, dass Verlage entscheiden können, wo sie das Leistungsschutzrecht gelten lassen und wo nicht. Blogger könnten zumindest eingeschüchtert werden, Facebook-Nutzer ließen sich verfolgen, wenn sie Artikel von Verlagen verlinken. Wo hört das auf, wo fängt das an?

Die Frage ist, wo Grenzen gezogen werden. Das illegale Downloaden von Musikstücken und Filmen zeigt, dass dann sehr schnell findige Anwälte einen Weg finden, die Rechtslage auszunutzen. Zumindest bestände die Möglichkeit, Druck auszuüben auf User, die sich in irgendeiner Form politisch äußern wollen. Das sind Mechanismen, mit denen indirekt auf Meinungsfreiheit Einfluss genommen wird. Das ist für mich die große Schwierigkeit dabei.
Es wird ja damit argumentiert, dass nur kommerzielle Anbieter, die sogenannten Aggregatoren, vom Leistungsschutzrecht betroffen sein wären. Ich glaube aber, dass das viel von dem, was im Netz an demokratischer Energie drin ist, abwürgen könnte.

Weil Blogger dann vielleicht auch zahlen müssten für bestimmten Content?

Die Frage ist ja, wie gehen Großverlage damit um, wenn Texte von ihnen in einem Blog zitiert werden – und der sich darüber finanziert, dass er abonniert wird. Ist das schon kommerziell? Und was ist mit Buchverlagen? Warum sollen nur die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage diejenigen sein, die ein Leistungsschutzrecht erhalten? Es besteht Gefahr eines Ungleichgewichts.

Bleiben wir noch einmal bei den Presseverlagen. Nun könnte man im Gesetz spezifizieren, wer genau betroffen sein sollte. Man könnte festlegen, dass zum Beispiel nur die Aggregatoren gemeint sind oder nur Suchmaschinen, wie es im aktuellen Referentenentwurf steht. Wäre das eine Lösung?

Dazu braucht man kein Gesetz. Das kann man sicherlich durch beidseitige Verträge oder ähnliches regeln. Und das Urheberrecht bietet genügend Möglichkeiten.

Sie sagen, spezielle Verträge könnten eine Lösung sein. Wäre es aus Ihrer Sicht vorstellbar, dass ein Verlag zum Beispiel mit Google einen Vertrag abschließt?

Ich könnte mir vorstellen, dass es wie im Pressegrosso-System funktioniert. Das hat über lange Jahre funktioniert als beidseitiges Abkommen, ähnlich der Tarifautonomie. Spitzenverbände und Interessenvertreter handeln miteinander etwas aus, was dann vertraglich festgelegt wird und wodurch man sich gegenseitig verpflichtet, das einzuhalten. Wir haben allerdings im Pressegrosso eine ähnliche Diskussion derzeit, dass man auch da ein Gesetz nehmen möchte, um das ganze System zu retten.

Das hieße doch aber auch, dass die Verlage ihre Inhalte nicht mehr kostenlos reinstellen dürften. Denn wozu soll Google mit einem Verlag einen Vertrag machen, wenn sie das ohnehin kostenfrei reingestellt haben und einfach abgreifen können?

Richtig. Das ist natürlich dann Bestandteil eines Abkommens, inwieweit die Nutzung der Inhalte über eine Abgabe geregelt wird. Das wäre die Konsequenz aus dem, was ich gesagt habe, dass man letztlich auf eine gesetzliche Regelung verzichtet und stattdessen sagt, wir müssen uns an einen Tisch setzen; wir müssen versuchen, eine Lösung zu finden. Ich denke, wenn das jetzt per Gesetz zementiert wird, wird allem Tor und Tür geöffnet. Viele Interessengruppen werden versuchen, ihre Leistungen gesetzlich absichern zu lassen.

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